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5) Luxus, Klapperschlangen & stetiges Auf und Ab

  • Autorenbild: Yann Roma
    Yann Roma
  • 19. Apr.
  • 3 Min. Lesezeit

Beim Aufstieg auf den Mount Baden-Powell
Beim Aufstieg auf den Mount Baden-Powell

Wenn man an den Pacific Crest Trail denkt, stellt man sich oft Staub, Hitze, müde Beine und einfache Campspots vor. Und ja – das alles gehört definitiv dazu. Doch manchmal überrascht der Trail auf ganz unerwartete Weise. Zum Beispiel mit Luxus pur.


Ich durfte für eine Nacht in Big Bear Lake bei Michael übernachten – einem ehemaligen Deutschen, der seit mehreren Jahren in den USA lebt und seit Kurzem PCT-Hiker kostenlos bei sich empfängt. Was uns dort erwartete, hätte ich niemals erwartet: ein bequemes Bett, Dusche, Waschmaschine, gemütliche Terrasse – und als Highlight: ein Massagestuhl, der alle müden Muskeln wiederbelebt hat. Und als wäre das nicht schon genug, haben Michael und seine Frau Mary Ann uns (wir waren zu dritt) abends auch noch bekocht – und zwar richtig lecker. Kostenlos. Einfach so.

Es ist beeindruckend, was manche Menschen für uns Hiker tun – und wie viel Gastfreundschaft und Grosszügigkeit einem auf dem Trail begegnet.


Ein paar Tage später, in Wrightwood, hatte ich erneut das Glück, bei einer ehemaligen Deutschen übernachten zu dürfen. Auch dort wurde ich herzlich empfangen, es war gemütlich, persönlich, bereichernd. Zwei Begegnungen, die mir sicher lange in Erinnerung bleiben werden.


Aber nicht nur Menschen bieten Luxus – auch die Natur selbst hat ihren ganz eigenen. Zwei Tage nach Big Bear hatte ich die Gelegenheit, an den Hot Springs zu übernachten. Nach einem langen Wandertag im warmen Wasser zu sitzen, umgeben von Bäumen und Vogelgezwitscher, war pures Wohlgefühl. Kein WLAN, kein Strom – aber absolute Entspannung. Auch das ist Trail-Luxus.


Diese Woche hatte ich aber nicht nur warme Duschen und gutes Essen – sondern auch meine erste Begegnung mit einer Klapperschlange. Plötzlich lag sie da – direkt neben dem Weg, ruhig, aber deutlich sichtbar. Und ja, ich bin erstmal erschrocken. Doch Klapperschlangen greifen nicht ohne Grund an. Sie warnen, wenn man ihnen zu nahe kommt – und solange man Abstand hält und sie nicht stört, geht man sich in der Regel aus dem Weg.


Und sonst? Wie fast immer: rauf und runter. Der Trail ist eine ständige Achterbahn – körperlich wie mental. Besonders eindrücklich war diese Woche der Mount Baden-Powell gleich nach Wrightwood. Es lag noch Schnee, die Luft war kühl, der Aufstieg anstrengend. Doch die Aussicht war gewaltig – auf trockene Wüstenlandschaften, grüne Wälder und ferne Bergketten. Und danach? Wieder runter, klar.


Das bringt mich zu einem Punkt, der vielleicht viele überrascht, die den PCT nur vom Hörensagen kennen: Der südliche Teil, also der Start in Kalifornien, ist nicht nur Wüste. Klar, es gibt Kakteen, Sand und trockene Abschnitte – aber ebenso grüne Wälder, hohe Berge, Schnee, kühle Nächte. Die Vielfalt ist enorm. Die Wüste ist hier oft eine Frage der Definition.


Mittlerweile bin ich auch nicht mehr ganz allein unterwegs. Seit mehreren Tagen wandere ich zusammen mit drei anderen – meiner kleinen Trail-Family. Das bedeutet nicht, dass wir immer im Gänsemarsch laufen – ich starte zum Beispiel fast jeden Morgen als Erster. Die Morgenstunden gehören zu meinen liebsten: Wenn der Himmel langsam heller wird, die Vögel zu zwitschern beginnen und die Sonne vorsichtig über den Horizont klettert – dann fühlt sich Wandern leicht an.

Mittags treffen wir uns dann meist wieder, warten manchmal aufeinander, kochen gemeinsam – und stellen am Abend unsere Zelte nebeneinander auf.


Zu meiner Trail-Family gehören Missy, eine Ultra- und Marathonläuferin aus den USA, ihr Sohn Carl, der als Arzt arbeitet und Oliver, ein junger Norweger aus Oslo. Wir haben ein ähnliches Tempo und es macht einfach Spass, sich über das Erlebte auszutauschen, gemeinsam zu lachen und sich gegenseitig zu motivieren.


Auch abseits davon habe ich schon viele spannende Menschen kennengelernt – etwa einen NASA-Ingenieur, einen älteren Mann aus Zimbabwe, und sogar ein Pärchen mit einem fünfjährigen Kind, das ebenfalls den PCT läuft. Natürlich legen sie viel weniger Kilometer pro Tag zurück und werden wohl nicht den ganzen Weg bis Kanada gehen – aber allein der Mut, das Abenteuer mit einem kleinen Kind zu wagen, hat mich tief beeindruckt.


Apropos Kilometer: Ich laufe momentan im Schnitt etwa 30 Kilometer pro Tag. Es gab aber auch schon Tage, an denen ich über 40 Kilometer gemacht habe – und andere, an denen es weniger waren. Mal schauen, was am Ende mein persönlicher Tagesrekord sein wird.

Es gibt auf dem Trail auch einige inoffizielle Challenges. Zum Beispiel die 24h-Challenge, bei der man einen ganzen Tag und eine ganze Nacht lang durchläuft. Oder die Oregon-Challenge, bei der man Oregon in nur zwei Wochen durchwandert. Und dann noch die 50-Kilometer-Challenge, also 50 km an einem Tag. Die Oregon-Challenge werde ich ziemlich sicher nicht machen – ich will mir Zeit nehmen und die Strecke geniessen. Aber wer weiss – vielleicht probiere ich mich ja irgendwann an den anderen beiden.


 
 
 

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